Mystische Wurzelgruben, verborgene Renaissancestädte und die dichten Wälder des Roztocze Nationalparks – im Südosten Polens warten viele unerwartete Schätze darauf, von Radfahrern entdeckt zu werden! Auf unserem Roadtrip nach Polen haben wir die Woiwodschaft Lublin mit unseren Gravelbikes erkundet und haben uns dermaßen wohl gefühlt, dass wir am liebsten noch ein paar Wochen geblieben wären. Hier stellen wir euch drei Fahrradrouten vor, die ein erklärtes Ziel verfolgen: Den Südosten Polens vom Fahrrad aus in all seinen Facetten kennenzulernen!
Hinweis: Dieser Artikel entstand in entgeltlicher Zusammenarbeit mit Poland Soul Travel. Dieses Projekt will Lust machen auf Slow Travel in Polen abseits der bekannten Hauptreiserouten.
WAS HAT DIE REGION LUBLIN ZU BIETEN?
RUHEOASEN IN DER NATUR
Im Nationalpark Roztocze warten tiefblaue Seen, dichte Wälder und einsame Straßenabschnitte auf dich. Ruheoasen und gemütliche Pausenplätze entlang des GreenVelo (ein 2000km langer Fernradweg durch Ostpolen) laden zum Innehalten und Verweilen ein. Wer möchte, kann hier stundenlang ausschließlich dem Gesang der Vögel und dem Quaken der Frösche lauschen und den Alltag hinter sich lassen.
LÖSSSCHLUCHTEN & RENAISSAINCESTÄDTE
Bei einer Fahrt durch die mystischen Lössschluchten rund um die schöne Renaissancestadt Kazimierz Dolny wirst du das Gefühl nicht los, durch eine Filmkulisse von „Herr der Ringe“ zu fahren! Im Frühling begrüßt dich die Region mit einem Meer weißer Obstbaumblüten, die Blumenbeete der urgemütlichen Holzhäuser erstrahlen in allen Farben und in den historischen Gassen der Altstädte lockt der Duft frisch gebackener, polnischer Gebäck-Spezialitäten.
POLNISCHE GASTFREUNDSCHAFT
Deine ersten Berührungspunkte mit der polnischen Kultur werden nicht lange auf sich warten lassen, denn du wirst garantiert mit einem fröhlichen „Cześć!“ begrüßt. Auch wenn die Aussprache des polnischen Wortes für „Hallo“ etwas Übung bedarf, wirst du dich dank der herzlichen Gastfreundschaft und der zuvorkommenden Art der Polen sofort pudelwohl fühlen. Spätestens beim Verkosten von traditionellen, handgemachten Pierogis (gefüllte Teigtaschen) zusammen mit einem lokal gebrauten Bier hast du einen Teil polnischer Tradition kennengelernt!
RADWEGE
Die Region ist ein Magnet für Radfahrer, denn sie lässt sich wunderbar mit allen Fahrrad-Typen erkunden! Ein großes Netzwerk an Radrouten bietet für jeden Geschmack den passenden Untergrund und auch für die hier vorgestellten Touren kannst du das Fahrrad deiner Wahl nutzen. Etwas Profil auf den Reifen wirst du aber brauchen, denn die Beschaffenheit der Wege kann stark variieren. Für eine Prise Abenteuer ist also gesorgt! Zum Nächtigen findest du hier von architektonisch originellen Unterkünften bis hin zu gemütlichen Eco-Lodges und einfachen Campingplätzen wirklich alles, was das Reise-Herz begehrt.
DREI FAHRRADROUTEN IM SÜDOSTEN POLENS
Ein Land mit dem Fahrrad zu bereisen, bietet immer auch die Möglichkeit, abseits der Touristenpfade unterwegs zu sein und den wahren Alltag der Menschen kennenzulernen. Die Routen, die wir dir hier vorstellen, liegen in einer Region, die ihre Besucher dazu einladen möchte, auf etwas unbekannteren Wegen aktiv unterwegs zu sein. Und weil "unbekannt" keineswegs "weniger interessant" bedeutet (das Gegenteil ist der Fall), wird ein Besuch der Region Lublin garantiert ein Highlight!
ROUTE 1: Die Lössschluchten von Kazimierz Dolny
- Strecke: 50 Kilometer, 370 Höhenmeter
- Untergrund: 50% Asphalt, die anderen 50% können alle Formen annehmen ;-)
- GPX Daten: Diese Etappe auf Komoot ansehen
Heute morgen ist es uns ehrlich gesagt beinahe schwer gefallen, überhaupt loszuradeln. Denn am liebsten wären wir noch weitere Nächte in diesem urgemütlichen, versteckten Paradies namens „ Gołębnik“ geblieben. Die kleine Eco-Lodge wird von Ewa und Tomek betrieben. Ein Künstler-Ehepaar, das einen alten Bauernhof mit Stil zum Leben erweckt hat und hier abseits von Handyempfang und TV-Geräten ihre Gäste empfängt.
Zum Glück lockt die Tour mit vielen Highlights, sodass wir es dann doch noch auf die Räder schaffen 😄 Und es dauert keine 10 Kilometer, erreichen wir bereits die bekannteste Lössschlucht der Region: Die Wurzelgrube (Korzeniowy Dół). Das Wasser hat den sandigen Boden nach und nach weggespült, wodurch meterhohe Rinnen entstehen konnten, denen man heute gemütlich entlang spazieren oder eben entlang radeln kann. Die riesigen Bäume halten sich mit ihren dicken Wurzeln eisern an den steilen Lösswänden fest - absolut faszinierend! (Hinweis: An Wochenenden im Sommer kann hier ordentlich was los sein und es wird eine kleine Eintrittsgebühr verlangt. An dem heutigen, schönen Frühlings-Wochentag waren wir jedoch die einzigen Besucher und auch die Kassen hatten noch geschlossen.)
Weiter geht es durch das urige Dörfchen Mięćmierz bis zur Weichsel - Polens längster Fluss. Bei der kleinen Bootsanlegestelle angekommen, kann man einen kleinen Abstecher auf die andere Seite des Flusses machen, um die Burg Janowiec zu besichtigen. Das Boot kann den Fluss allerdings nur bei mittleren Wasserpegelstand kreuzen - eine Fahrt ist also niemals garantiert! Heute wird das Boot neu gestrichen und ist eigentlich außer Betrieb, was die beiden Herren aber nicht davon abhält, uns trotzdem auf die andere Seite und wieder zurück zu fahren. Wie lieb von ihnen!
Für eine kurze Mittagspause schlendern wir durch die historische Altstadt von Kazimierz Dolny. Zur Stärkung holen wir uns in der bekannten Bäckerei Sarzyński ein paar Polnische Spezialitäten! Ein mit Pilzen und Zwiebel gefülltes Gebäck Namens Kulebiak und ein Zwiebelbrot namens Cebulak schmecken nicht nur herrlich, sonder geben uns auch die nötige Energie für die nächsten Kilometer. Doch bevor es mit den Rädern weiter geht, spazieren wir noch auf den „Berg mit den drei Kreuzen“. Dort oben hat man eine grandiose Aussicht über die Stadt und das Flussgebiet!
Auf der Gravel-Tour erwartet uns noch ein Hindernis: Ein kleiner Fluss muss auf einem schmalen, schiefen Steg überwunden werden. Hier ist Balance gefragt! Und weil es heute frische 14 Grad hat, wollen wir unter keinen Umständen ins eiskalte Wasser fallen 😅
Weiter geht es vorbei an blühenden Obstbäumen, unendlich erscheinenden Johannisbeer-Sträuchern und an kleinen Bächen, die sich durch bewaldetes Gebiet schlängeln. Wir passieren ein schönes Holzhaus nach dem anderen, die wir in dieser Form noch selten zuvor gesehen haben. Wir sind total begeistert von der Architektur, die so viel Gemütlichkeit und Geselligkeit ausstrahlt. Genau so, wie ihre Bewohner eben auch!
Bei unserer Ankunft verabschieden wir uns von Ewa und Tomek und fahren mit dem Camper weiter Richtung Südosten und sind schon gespannt, was uns am nächsten Tag erwarten wird.
ROUTE 2: Durch das Wilde Herz des Roztocze Nationalparks
- Strecke: 65 Kilometer, 280 Höhenmeter
- Untergrund: 54% Asphalt, teilweise sandige Wege
- GPX Daten: Diese Etappe auf Komoot ansehen
Wir sind im Roztocze Nationalpark angekommen! Dieser Park ist von Flüssen und Gewässern durchzogen und bietet einen wichtigen Lebensraum für Vögel, Wölfe und Luchse. Hier führt auch der GreenVelo entlang - ein 2000km langer Fernradweg durch ganz Polen, dem wir heute ein Stück folgen werden.
Wir starten unsere Graveltour im Zentrum des Nationalparks, in der Kleinstadt Zwierzyniec. Hier haben wir unseren Camper auf einem Campingplatz gestellt, dessen Betreiber die Pforten nur für uns geöffnet hat! Denn eigentlich ist hier Anfang April noch keine Camping-Saison und so sind wir selbst am Wochenende die einzigen Gäste. Und das bei traumhaften Fahrrad-Wetter!
Der Name Zwierzyniec kommt uns nur schwer über die Lippen, aber das Örtchen strahlt mit dem kleinen Weiher im Zentrum und den vielen Fischern, die hier mit beneidenswerter Gelassenheit ihre Angeln ins Wasser halten, eine derartige Ruhe aus, dass wir uns direkt wohl fühlen. Auch die Brauerei und die urigen Restaurants, die ihre Sitzbänke in die Gärten gestellt haben, laden zum Verweilen ein. Doch die Geselligkeit verschieben wir auf das Ende der Tour, denn jetzt wird geradelt!
Es geht gleich tief in den Wald hinein. Zuerst über perfekten Asphalt, dann über breite Forstwege, auf denen die Reifen mühelos rollen können. Trotzdem müssen wir ständig die Bremsen ziehen, denn linker Hand tauchen immer wieder kleine Gewässer auf, die man fußläufig über eine schmale Holzbrücke oder einen kurzen Wanderweg erreicht. An diesen Orten ist niemand zu sehen, dafür sind die Vogel- und Froschkonzerte umso kräftiger. Wir könnten hier Stunden verbringen und die Natur beobachten.
Eine lokale Besonderheit sind die hier gezüchteten Konik Pferde (Konik Polski = Polnisches Pferd). Die relativ kleine Rasse ist mit den ausgestorbenen Tarpan-Wildpferden verwandt, hat ein mausgraues Fell und sind der ganze Stolz der Region. Die Zuchtstation liegt direkt an der Route, bei der man die schönen Tiere auf der Koppel beobachten kann. Wir haben heute etwas Pech, denn die Pferde stehen viel zu weit weg, um sie mit dem bloßen Auge gut sehen zu können. Auch unsere Kamera kommt bei dieser Distanz an ihre Grenzen!
In Jozefow angekommen, schlagen wir unsere Bäuche mit herrlichen, selbstgemachten Pierogi voll. Durch Zufall haben wir das einfache Restaurant „Pierogarnia Józefowska“ entdeckt und hier scheint der ganze Ort das Mittagessen abzuholen! Kein Wunder, denn die in Butter geschwenkten, mit Spinat und Käse gefüllten Teigtaschen, schmecken schlicht und ergreifen himmlisch!
Im weiteren Verlauf werden die Wege teilweise sehr sandig. Wir haben Glück, denn es gab seit Tagen keinen Niederschlag und somit ist die Route gut befahrbar. Aber Vorsicht: Nach einem Regentag verwandeln sich die Wege vermutlich schnell zu tiefen Schlammpisten!
Es geht weiter durch tiefe Wälder, vorbei an hohen Pinien und kleinen Bächen. Perfekter Asphalt wechselt sich mit festen Erdwegen, einfachen und sehr flowigen Singletrails und sandigen Pisten ab und ein Gravelbike ist wohl die perfekte Wahl für diese abschnittsweise abenteuerliche Route.
Die letzten Kilometer führen auf der Hauptstraße und wir schmeißen uns abwechselnd in den Windschatten des anderen, um zurück nach Zwierzyniec zu brettern. Das macht ordentlich Spaß! Zum krönenden Abschluss verkosten wir noch ein Zwierzyniec Bier aus der lokalen Brauerei - so muss ein perfekter Tag sein! 😃
ROUTE 3: Auf historischen Pfaden rund um Narol
- Strecke: 39 Kilometer, 250 Höhenmeter
- Untergrund: 80% Asphalt, kurze, sehr sandige Wege
- GPX Daten: Diese Etappe auf Komoot ansehen
Bevor wir wieder die Heimreise antreten, wollen wir unbedingt noch eine kleine Tour rund um die Stadt Narol fahren. Narol ist auf den ersten Blick keine eindrucksvolle Stadt, doch wenn man die nähere Umgebung mit dem Fahrrad erkundet hat, dann merkt man erst, wie viel Geschichte sie zu erzählen hat.
Entlang perfekt asphaltierter, sehr ruhiger Straßen fahren wir raus aus dem Ort und tauchen gleich tief in den Wald ein. Ab und zu erspähen wir einen Storch auf einer Lichtung sitzen, der jetzt im Frühling auf der Jagd nach Futter für den Nachwuchs ist. Der Asphalt endet und wir fahren auf einem Forstweg entlang, der an manchen Stellen sehr sandig ist. Reini zeigt sein ganzes Können und muss trotz des weichen Untergrunds nicht einmal absteigen 😃 Ich hingegen steig für ein paar Schritte ab, schiebe mein Fahrrad und gehe so auf Nummer sicher. Zum Glück hat es seit Tagen nicht geregnet, sonst würden wir hier wohl im Matsch landen 🙃
Die Route führt uns durch idyllische Dörfer. Alte, verlassene Bauernhöfe wechseln sich mit Häusern, denen die junge Generation neues Leben eingehaucht hat, ab. Die blühenden Gärten werden in mühevoller Handarbeit zum strahlen gebracht und über den Gartenzaun rufen uns die Menschen "Cześć!" zu. "Cześć" ist das polnische Wort für "Hallo!" und es hat tatsächlich drei Tage gedauert, bis wir es aussprechen konnten 😅
Vorbei an Wiesen und Ackern erreichen wir Zatyle. Hier steht eine kleine Kapelle am Weiher, die ein Denkmal für die Zuginsassen, die von der Ukrainischen Aufständischen Armee im Juni 1944 ermordet wurden. Am Ufer des Weihers halten Fischer ihre Angel ins Wasser und genießen die herrliche Ruhe. Hätten wir mehr Zeit, würden wir hier für zwei Tage sitzen bleiben wollen. Sitzen, beobachten und die Natur genießen. Denn genau dafür scheint dieser Ort perfekt zu sein.
Wir haben bereits etwas über die Hälfte der Tour hinter uns, als wir die Gedenkstätte in Bełżec erreichen. In Bełżec wurden 1942 innerhalb weniger Monate fast 500.000 Menschen in einem Vernichtungslager ermordet. Die bedrückende Stimmung, wenn man über das ehemalige Areal, das heute als Gedenkstätte frei zugänglich ist, geht, ist kaum in Worte zu fassen. Was hier geschah, übersteigt unsere Vorstellungskraft und wir philosophieren darüber, wie es überhaupt zu solchen Gräueltaten kommen konnte.
Zum Glück bringt uns der weitere Verlauf der Route auf ganz andere Gedanken. Denn wir tauchen wieder tief in die grün strahlenden Wälder ein, bis wir beim Barocken Schloss der Familie Łoś ankommen. Leider sind die Tore heute geschlossen und wir können keinen Blick in die scheinbar prunkvolle Gartenanlage werfen.
Zurück in Narol stoßen wir mit einem polnischen Radler auf die letzten Tage an und beschließen, dass das mit Sicherheit nicht unser letzter Besuch in Polen gewesen sein wird!
PRAKTISCHE INFOS FÜR EINE REISE NACH LUBLIN
Wenn du nun Lust bekommen hast, den Südosten Polens mit dem Fahrrad zu erkunden, gibt es hier noch ein paar weitere, praktische Informationen für deine Reiseplanung!
An- und Abreise
Die Region Lublin liegt im Südosten Polens, an der Grenze zur Ukraine und wer hier verschiedene Ecken erkunden möchte, ist quasi auf ein Auto angewiesen. Also haben wir mit einem Campervan einen kleinen Roadtrip gemacht, anstatt mit dem Zug anzureisen. Dadurch waren wir sehr flexibel und konnten schon bei der Anreise ein paar Zwischenstopps für schöne Radtouren einlegen. Ebenso auf der Heimreise, auf der wir der Hohen Tatra einen Besuch abstatteten. Vor Ort ist es natürlich auch sehr hilfreich, die einzelnen Routen mit dem Auto anfahren zu können. Es gibt Zugverbindungen zwischen der Stadt Lublin und Zwierzyniec, Kazimierz Dolny und Narol können leider nicht mit dem Zug erreicht werden.
Unterkünfte
Die Region Lublin schein ein wahres Eldorado für außergewöhnliche Unterkünfte zu sein! Wir haben die erste Nacht in der Eco-Lodge "Gobelnik" verbracht. Unterwegs haben wir außerdem immer wieder architektonisch einzigartige Unterkünfte gesehen, wie Tinyhäuser oder Baumhäuser. Auch Campingplätze sind hier ausreichend vorhanden, die Saison beginnt etwa Ende April.
Orientierung & Navigation
Um unseren Routen zu folgen, brauchst du unbedingt die GPX-Daten und ein Navigationsgerät (Navigation am Handy klappt natürlich auch!). Unsere GPX-Daten kannst du dir in der Komoot-Collection downloaden. Vor Ort sind übrigens auch einige Radrouten ausgeschildert!
Weiterführende Informationen
Die Initiative Poland Soul Travel bietet eine Vielzahl an Informationen für Aktivitäten abseits der großen Touristenpfade und zeigt dir Regionen, die Langsamreisende besonders anspricht. Alle Informationen findest du hier: https://polandsoultravel.com/
Kennst du Polen bereits?
Du warst schon mal in Polen und hattest eine gute Zeit? Schreibe uns gerne deine besten Tipps in die Kommentare, denn so viel steht fest - wir wollen Polen auf jeden Fall noch einmal bereisen!
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