· 

2021 – Was war das für ein Jahr!

Zum letzten Tag im Jahr werden wir etwas sentimental. Mit dem Rad durch Dänemark, Finnland, Schweden und natürlich Norwegen - was haben wir nur alles erlebt! Wir möchten die Gelegenheit nutzen und unsere Highlights des vergangenen Jahres mit den schönsten Fotos Revue passieren zu lassen. 

Das erste Halbjahr

Begonnen hat das Jahr 2021 in Zivil getarnt. Denn obwohl wir beide in unserer  Corona bedingten Radreise-Pause mit Beruf und Wohnung wieder ins zivile Leben zurück gekehrt waren, hatte das alles nur ein Ziel: Möglichst schnell wieder auf den Rädern zu sitzen!

Die ersten 5 Monate dieses Jahres polierten wir also unseren Kontostand auf  und steckten die restliche Zeit in die Vorbereitungen der erneuten Abreise: Equipment aufbessern, Routen planen, Bürokratie erledigen, Nachmieter suchen. Immer mit einem besorgten Blick auf die Corona-Zahlen und die damit einhergehenden Reisebeschränkungen. "So schnell kommt's ihr hier nicht wieder weg", waren die fast schon bedrohlichen Worte, die wir in dieser Zeit immer wieder zu Ohren bekamen. Mit der zweiten Impfung hielt uns dann aber nichts und niemand mehr auf!

Am 9. Juni 2021 war es dann soweit. Was für ein Gefühl! Nicht mehr ganz so aufregend wie bei der Abreise unserer ersten großen Halbe-Welt-Reise, aber aufregend genug, um beim Abschied ein paar Tränen in den Augen zu haben. "So weit wollen wir diesmal ja eh nicht fahren", beruhigten wir uns beim Losfahren. "Ist ja nur das Nordkap."

Juni

Das "nur Nordkap" glaubten wir uns selbst nicht so ganz. Wir wussten genau, dass 4000 Kilometer kein Katzensprung sind und dass die Küste Norwegens schon viele Radfahrer zur Verzweiflung gebracht hatte. Trotzdem, oder besser gesagt, genau deswegen gefiel uns die Idee mit dem Nordkap so gut. Europa zu verlassen stand für uns aufgrund der unsicheren Corona-Lage außer Frage und das wilde, dünn besiedelte Skandinavien erschien uns als die einzig logische und gleichzeitig aufregendste Alternative.

Um in die weite Einsamkeit Skandinaviens zu gelangen, radelten wir im Sommer erst durch Deutschland. Von Freilassing bis Flensburg. Für die ersten drei Wochen dieser Reise hatten wir keine große Erwartungen. Unsere Nachbarn kennen wir bereits ganz gut - Brezeln, Bier und Würste sind uns nicht fremd und auch die Sprache beherrschen wir so einigermaßen. "Was soll da schon aufregendes passieren?", dachten wir uns. Und zugegeben, für uns Österreicher gibt es bestimmt aufregendere Kulturen zu entdecken als jene unseres Nachbarlandes. Was unsere Zeit in Deutschland aber so unvergesslich machte, waren die unendlich vielen Einladungen, die wir von EUCH bekamen. Irgendwann verloren wir den E-Mail-Überblick und wussten nicht mehr, wer uns wo eingeladen hätte. Unsere Route führte uns dann tatsächlich bei ein paar unserer Leser vorbei und jede einzelne Begegnung war ein Erlebnis für sich! Aber auch über andere Wege kamen wir bei vielen tollen Menschen unter, lernten ganz neue Lebensentwürfe und die wildesten Lebensläufe kennen. Was für eine spannende Zeit das war!

 

 An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an alle, die uns einen Schlafplatz angeboten haben! <3 

Juli & August

Von Deutschland ging es weiter nach Dänemark. Im Rekordtempo durchquerten wir das Land, nutzten den Rückenwind vollends aus und standen nur zwei Tage nachdem Norwegen die Grenzen wieder geöffnet hatte am Hafen von Hirtshals. Die Räder auf die Fähre geschoben, kamen wir nur wenige Stunden später in Norwegen an und rollten problemlos und ohne Quarantänevorschriften in das 27. Land ein. 

Norwegen eroberte im Nu unser Herz. Aber das wisst ihr ja bereits! Der erste Blick auf einen Elch, der erste Blick auf einen Fjord, der erste Blick auf die schroffen Berge – diese Momente bekamen einen sicheren Platz in unserer Erinnerungsbox. Die Natur Norwegens ist so eindrücklich, so wild, so rau und so unberechenbar. Genau so gefällt es uns! Unsere Laune ließ sich in Norwegen von Dauerregen und Wolkendecken niemals beirren. Egal wie nass es war oder wie schlecht die Sicht auch sein mochte – die Motivation hat uns nicht einmal verlassen. Ganz im Gegenteil. In der regenreichsten Woche haben wir für uns beschlossen, genau an diesen Ort zurückkehren zu wollen. Und zwar im Winter.

Je weiter wir in den Norden kamen, desto besser gefiel es uns. Die Straßen wurden einsamer, die Natur karger, Rentiere grasten auf den Hügeln und das Wetter besserte sich. Die letzte Nacht bevor wir das Nordkap erreichten, stellten wir das Zelt mit Blick auf den Fjord auf und wir fühlten uns frei wie zwei Vögel. Das nördliche Ende Europas lag uns zu Füßen und nichts außer unsere Muskelkraft brachte uns hier her. Am nächsten Tag erreichten wir die berühmte Weltkugel an der Spitze des Nordkaps. Kein einziger Mensch war zu sehen, nur wir beide, unsere Räder und diese schöne Kugel. Es kullerten die Freudentränen.

September

"Was mach ma jetzt?" Wir standen am Nordkap. Die anfängliche Einsamkeit war schnell vorüber, als der nächste Touristenbus mit den Gästen der Hurtigruten ankam. Unser Plan war es "erst mal ans Nordkap" zu fahren und "dann schau ma mal". Wir standen also da und schauten. Ohne Plan, aber glücklich darüber, hier zu sein.

Wir begannen uns Gedanken über die nächste Etappe zu machen. Beim Blick auf die Landkarte war schnell klar, dass uns besonders eine Route reizen würde: Hier oben im Norden die Grenze nach Russland zu überqueren. Wir beginnen zu recherchieren und landen gleich in einer Sackgasse. Die Mischung aus Corona, Visum und unserer Spontanität hätten das Vorhaben zu einem ziemlich undurchsichtigen Unterfangen gemacht. Deswegen entschieden wir uns für die zweitbeste Alternative und das war Finnland von Nord bis Süd zu durchqueren. Helsinki schien uns ein vernünftiges Ziel, lächerliche 1800km entfernt.

Anfang September rollten wir in Finnland ein und vor uns lagen 1800km Wald. Der Wald im Norden sah dem Wald im Süden ziemlich ähnlich, die Straßen zogen sich wie ein Kaugummi in die Länge. Damit wir es uns bloß nicht zu einfach machten, nahmen wir die noch etwas einsamere Route entlang der russischen Grenze. Dort war dann wirklich nichts mehr außer Wald, Wasser, ab und zu ein Kriegsdenkmal, jede Menge Beeren und ja, auch Bären. Mental wurde Finnland zur großen Herausforderung. Der Herbst tauchte die Bäume in wunderschöne Farben und der Anblick war wirklich traumhaft. Aber ein Herbst in Finnland ist mehr ein als Herbst getarnter Winter. Zumindest was die Temperaturen angeht. Tagelang versteckte sich die Sonne hinter den Wolken, Regen und Kälte waren dauerhafte Begleiter. Die Nordkaptour spürten wir in unseren Beinen und wir merkten, wie uns die Kraft ausging, die wir für die Bewältigung solcher Situationen so dringend benötigt hätten. Es kam zum Motivationstiefpunkt, Kopf und Körper schrieen nach einer Pause. Wir konnten nicht anders, als zum ersten Mal auf dieser Tour tief in die Geldtasche zu greifen und uns für eine Woche ein Zimmer zu buchen. 

Die Pause tat gut. Es wurde zwar immer kälter, aber wir schafften es beinahe jeden Abend in einem der öffentlichen Shelter zu übernachten. In Finnland werden die Shelter Laavus und Kotas genannt und das Netzwerk ist hier unfassbar gut. Bei nahezu jedem Laavu und jeder Kota findet man Feuerholz, eine Axt oder eine Säge. Manchmal sogar Kerzen, Zündhölzer und Pfannen. Das allabendliche und allmorgendliche Lagerfeuer brachte die nötige Wärme und Motivation, am nächsten Tag wieder aufs Rad zu steigen. Für Wildcamper ein wahres Paradies!

Oktober

Die Erleichterung, in Helsinki angekommen zu sein, stand uns ins Gesicht geschrieben. Dabei waren die vorherigen zwei Wochen in Finnland ein richtiger Genuss! Die Motivation kam zurück, die Kilometer purzelten, der Wald wechselte sich mit kleinen Dörfern und landwirtschaftlich genutzten Flächen ab, was dem Auge neue Reize bot und mit viel spannenden Podcasts im Ohr verging die Zeit wie im Flug!

Die Motivation ist so gestiegen, wie die Temperaturen gefallen sind. Wir wollten weiter fahren und beschlossen, die Skandinavien-Runde zu schließen und weiter nach Oslo zu fahren, wo wir bereits im Sommer vorbeigekommen sind. Von Helsinki mit dem Boot nach Stockholm und dann durch Schweden bis Oslo. Die letzte Nacht in Schweden hatten wir -7 Grad Celsius. Die klirrende Kälte, der Blick auf den eiskalten See, über dem die Nebelschwaden aufstiegen und die vor Kälte erstarrten Finger. Es mag vielleicht komisch klingen, aber es war eines unserer Highlights der ganzen Skandinavientour. Das Naturerlebnis in Schweden war so intensiv durch die Mischung aus Herbst und Kälte. Es war der Übergang zum Winter, den wir draußen hautnah miterlebten. Es war eine intensive Zeit und die vielleicht kräftezerrendste Etappe überhaupt. Die letzten Tage bis Oslo saugten die letzte Energie aus uns raus, das Zelten und Radfahren in der Kälte ist kein Kinderspiel.  Nach Oslo haben wir es noch geschafft, auch wenn die Akkus schon 100km vor der Stadt erschöpft waren. 

November & Dezember

Wir erholten uns nach wenigen Tagen uns und schon stand das nächste Abenteuer vor der Tür: Den Winter im höchsten Norden Norwegens  zu verbringen! In einer kleinen Hütte, mitten im Nirgendwo, an einem Fjord, weit über dem Polarkreis. 

 

Und hier sind wir jetzt. Seit Anfang November leben wir in unserer gemütlichen Hütte, haben beobachtet, wie die Sonne für 60 Polarnächte hinter dem Horizont verschwand und warten jetzt sehnsüchtig darauf, dass sie Ende Jänner hinter selbigem wieder zum Vorschein kommen wird. Es ist ein tief verschneiter, bitter kalter Winter, selbst für Nordnorwegische Verhältnisse! Auch wenn die Finsternis für das Gemüt nicht immer zuträglich ist – wir lernen langsam, damit umzugehen. Wir genießen die intensiven Nordlichter, beobachten wie Schlittenhunde über den gefrorenen See gleiten, erkunden auf Langlaufski unsere Gegend und können mit unseren mit Spikes ausgestatteten Rädern auch auf den vereisten Straßen fahren. Ein aufregendes und sehr würdiges Ende des Jahres 2021!

Wir wünschen euch allen ein gutes neues Jahr!


Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Peter (Freitag, 31 Dezember 2021 16:29)

    Hi Ihr Beiden,
    wieder einmal. wie schon immer, eine ganz tolle Berichterstattung. Danke dafür.
    Wir wünschen Euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr, viel Gesundheit und Kraft für die von Euch noch geplanten Touren!!!!
    Siegi & Peter

  • #2

    Andy (Freitag, 31 Dezember 2021 16:40)

    Alles Gute für 2022, viele gesunde hm und km! Meine Frau und ich verfolgen eure Berichte mit großem Interesse. Liebe Grüße aus der Heimat, Andy

  • #3

    Viktoria (Sonntag, 02 Januar 2022 08:54)

    Alles Gute für s Jahr 2022 bleibt gesund und genießt die Zeit im hohen Norden.es wird bestimmt wieder spannende Berichte geben.
    Wie weit voneinander entfernt liegen denn diese Über nachtungshuetten?
    Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das es besetzt ist und man zum nächsten fahren muss?
    Herzliche Grüße aus dem zur Zeit viel zu warmen Pinzgau
    Viktoria

  • #4

    Angi & Reini (Sonntag, 02 Januar 2022 09:00)

    Danke Viktoria!
    Die Hütten in Finnland sind mit dem Rad nicht immer leicht erreichbar, weil sie eigentlich für Wanderer ausgelegt sind. Weil es bei uns so kalt war, haben wir aber versucht, täglich eine Hütte anzufahren. Ist uns auch sehr oft gelungen! Es gibt viele Karten online zu finden. Einfach nach Laavu oder Kota googeln.
    Nachdem wir off season dort waren, waren wir immer alleine bei den Hütten. Aber wir könnten uns vorstellen, dass das im Sommer nicht immer so ist. Besonders wenn man in der Nähe einer Stadt ist. Die Hütten mitten in der Wildnis sind bestimmt weniger frequentiert.
    Liebe Grüße!

SOCIAL MEDIA

@saddlestories.at

KONTAKT - hier kannst du uns per Mail kontaktieren!

NEWSLETTER ABONNIEREN

Du willst per E-Mail benachrichtig werden, wenn wir einen neuen Blogartikel veröffentlichen? 

Gib einfach deine E-Mail-Adresse ein, klicke auf "Blog abonnieren", und schon verpasst du keine Neuigkeiten mehr!